Trend 2015: Blurring of Online/Offline
Während Boris Becker 1999 noch vom ins Internet gehen sprach, ist die Klassifikation als Internetnutzer für alle mit dem Internet aufgewachsenen in etwa so verständlich, wie ein Stromnutzer zu sein: es ist so selbstverständlich und in einer always-on-Welt so natürlich, dass einem nur das Gegenteil – das Offline-Sein etwa auf einer Bahnfahrt – als Abweichung von der Norm auffällt. Zudem ist die Gestalt der via Internet genutzten Services so vielfältig und verwoben, dass der Aussagegehalt einer derartigen Klassifikation viel zu limitiert ist.
Zunehmend verschwimmen jedoch auch die Grenzen zwischen On- und Offline: die Technology tritt in den Hintergrund und verbirgt dem Nutzer ihre Komplexität, um ihn bei der Lieferung eines spezifischen Nutzens nicht mit Unnötigem zu verwirren. So wird die physische Welt zunehmend durch das Internet angereichert.
Betroffene Industrien: Retail, Travel, Entertainment, Games, Healthcare
Intro
Der 2002 von Steven Spielberg gedrehte Film Minority Report, in dessen Zentrum eine technologisierte Zukunftsvision steht, hat eine ganze Reihe von technologischen Entwicklungen sehr akkurat vorhergesehen – vielleicht sogar ihr Bild geformt und somit Einfluss auf die Entwicklung dieser Technologien gehabt. So sind Touch-Interfaces und die gestengesteuerte Bedienung unterdessen zum Standard geworden. Hier steht jedoch die Technologie selbst und die Interaktion mit dieser noch sehr prominent und häufig aufdringlich im Zentrum:
Dieses Jahr ist mit Spike Jonzes Her ein Film in die Kinos gekommen, der höchstwahrscheinlich noch einen wesentlich größeren Impact auf unsere Vorstellung von Technologie und die Gestaltung des User Experience haben wird. Technologie ist allgegenwärtig, ohne dem Nutzer jedoch die Beschäftigung mit ihr abzufordern. Es geht im Gegensatz zu dem von Minority Report“ gezeichneten Bild nicht mehr um die Interaktion des Nutzers mit Technologie, sondern vielmehr um die Interaktion mit der Umwelt durch Technologie: Technologie verschwindet unsichtbar im Hintergrund, wandelt sich vom Selbstzweck zum Mittel zum Zweck.
Nicht von ungefähr stellt Microsoft im Promo-Spot für sein aktuelles Health-Band-Wearable daher auch die Wahrnehmung der Welt um den Nutzer herum ins Zentrum, die angereichert ist mit kontextsensitiven, internetbasierten Daten, ohne das Erfordernis sich auf einen Bildschirm starrend mit Technologie beschäftigen zu müssen – „Leave you phone in your pocket and miss nothing“:
Diese Auffassung von Technologie, in der On- und Offline miteinander verschmelzen, steht in engem Zusammenahng mit Wearables (Trend 2015: Quantified-Self/Wearables) und Proaktiven Experiences (Trend 2015: Pro-active Experiences).
Stoßrichtungen der Konvergenz
Die Verschmelzung von Offline und Online findet in drei Richtungen statt und bildet somit drei große Sub-Trends:
- Von Offline zu Online: Anreicherung der physischen Offline-Welt mit Online-Daten (z.B. Google Glass, Beacons)
- Von Online zu Offline: Umwandlung von digitalen Repräsentationen in physische Repräsentation (z.B. 3D-Printing, Uber)
- Kreation von virtuellen Realitäten: in physischen Räumen entstehen real erscheinende künstliche Welten; reale physische Räume halten Einzug in künstliche Welten (z.B. Oculus Rift, Magic Leap)
Google Glass
Im Frühjahr 2013 stellte Sergey Brin Google Glass mit großem Medienecho in einem TED-Talk vor. Die von Google entwickelte Brille ermöglicht die Darstellung von Informationen auf einem integrierten Screen. Als einen der zentralen Vorteile von Google Glass gegenüber Smartphones nannte Brin die Aufhebung der sozialen Isolierung, da der Blick nicht vom Gegenüber auf den Screen eines separaten Gerätes abgewandt werden müsse:
Das Gegenteil war jedoch der Fall: Google Glass wurden vor dem Hintergrund von Privätsphäre-Bedenken und einer Reihe anderer Aspekte schnell zu einem Segway fürs Gesicht – ein Gerät, das aus rein rational-praktischer Perspektive viel Sinn ergibt, seinen Nutzer jedoch zum Deppen macht. Google Glass wurde schnell zum Identifikationsfaktor von Techies, die etwa in San Francisco für die Gentrifizierung verantwortlich gemacht werden. Der Begriff „Glasshole“ machte die Runde und selbst Google-Entwickler trauten sich nicht mehr mit Glass auf die Straße. Als dann mit Robert Scoble auch noch der feurigste Fan seine Zweifel an Google Glass anmeldete, schien das Schicksal vorerst besiegelt. Zumindest im Consumer-Markt und bis zum Launch einer Kontaktlinsenversion von Google Glass.
Im medizinischen Bereich ist Google Glass jedoch bereits erfolgreich im Einsatz: zum Streamen von Operationen zu Schulungszwecken, dem Einblenden von Patientenakten und Röntgenbildern in der Behandlung oder der Video-Beratung mit Kollegen während der Operation.
Aber auch bei der Unterstützung von Mechanikern bei der Autoreparatur durch die Anreicherung der Realität mit hilfreichen Informationen und Anleitungen oder auch im Tourismusbereich bietet Google Glass eine Vielzahl interessanter Einsatzmöglichkeiten.
Beacons, Ingress und mehr
Ob Beacons über die Verteilung im physischen Raum das Auslösen von bestimmten Aktionen in Apps der in der Nähe befindlichen Nutzer und damit eine Vielzahl von Anwendungsfällen ermöglichen, Augmented-Reality-Spiele wie Ingress die digitale Spielwelt in den physischen Raum bringen oder smarte Schuhe über Verbindung mit Kartendaten und Vibration die Navigation in fremdem Umfeld ermöglichen – die Verschmelzung von realer Welt mit der Online-Welt steht erst am Anfang.
Wie gut ist Ihr Unternehmen auf die Konsequenzen dieses Trends vorbereitet?
Finden Sie anhand unseres Digital Maturity Assessments heraus, wie gut Ihr Unternehmen für den digitalen Wandel gewappnet ist und welche Ansatzpunkte für die Verbesserung existieren.