Trend 2015: Quantified-Self/Wearables
Sind Quantified-Self-Accessoires wie etwa das Up-Armband von Jawbone bis vor kurzem noch ein Spielzeug für Nerds gewesen, haben sich sensorbepackte Wearables 2014 angeschickt zum Massenphänomen zu werden. Während Pebble bereits 2012 mit seinem Smartwatch-Projekt auf Kickstarter in nur 8 Tagen mit über USD 10 Millionen einen Crowdfunding-Rekord aufstellte (Funding-Ziel waren nur USD 100k) und nun nach der Marktvorbereitung durch nahezu alle Tech-Companies dieser Welt auch Apple als Last-Mover mit der Ankündigung seiner Smartwatch hinzugekommen ist, die Anfang 2015 in den Verkauf gehen soll, scheint der Massenmarkt klar im Visier.
Der Fantasie hinsichtlich der Anwendungsmöglichkeiten und des Impacts auf eine Vielzahl etablierter Geschäftsmodelle sind hier keine Grenzen gesetzt. So wie Smartphones bei ihrem Launch durch Apple 2007 nur ein Device waren, ist erst durch die Verbreitung der Technologie und das durch sie ermöglichte Ökosystem eines App-Stores eine Innovationsdynamik entstanden, die in ihrer Entwicklungsgeschwindigkeit und der disruptiven Kraft auf nahezu jede Industrie bislang einmalig ist. Ein unterdessen mit über USD 40 Milliarden bewertetes Unternehmen wie Uber, das sich anschickt die Mobilität grundlegend umzukrempeln, war ohne die Funktionen von Smartphone und das angeschlossene Ökosystem weder möglich noch denkbar gewesen.
Die permanente Verfügbarkeit von Sensoren direkt am Körper zeigt Parallelen zu dieser Entwicklung auf: neue Player können mit geringen Markteintrittskosten auf dem existierenden Ökosystem aufsetzen und ihren Ideen freien Lauf lassen. Dies wird tiefgreifende Auswirkungen auf eine ganze Reihe von Industrien und Geschäftsmodellen haben.
Betroffene Industrien: Healthcare, Pharma, Versicherungen, Fitness, Home Automation
Intro
Ein aktuelles Smartphone hat heute tausende Male mehr Rechenleistung, als die Computer der NASA, die 1969 die ersten Menschen auf den Mond brachten. Annähernd jeder Mensch (zunehmend auch in Entwicklungsländern) trägt somit auf Schritt und Tritt einen Hochleistungscomputer im Taschenformat mit sich herum, dessen Leistungsfähigkeit weiter exponentiell zunimmt. Während die Gerätehersteller den Umstand der ständigen Begleitung seines Besitzers mit der Integration von Sensoren und Bewegungsmessern dahingehend nutzen möchten, eine Vielzahl von Datenpunkten zu messen und dem Nutzer zugänglich zu machen, hat mit sogenannten Wearables – also Geräten, die direkt auf dem Körper getragen werden – eine neue Generation von Hardware Einzug gehalten, die diese Möglichkeiten noch erheblich erweitert.
Lassen sich mit aktuellen Mobiltelefonen wie etwa dem iPhone 6 oder Googles Nexus 5 die täglichen Aktivitäten des Besitzers messen, die zurückgelegten Entfernungen und die Anzahl der Schritte, die Stunden des Sitzens und des Stehens und aus diesen Daten noch relativ krude Empfehlungen für einen gesünderen Tagesablauf ableiten, gehen Wearables hier wesentlich weiter. Durch den direkten Kontakt mit dem Körper kann etwa permanent der Puls und der Hautwiderstand gemessen, der Schlaf nach Phasen analysiert und der Kalorienverbrauch ausgegeben werden.
Wearables im Gesundheitsbereich
Lieferte ein Arztbesuch bislang etwa mittels EKG eine datenbasierte Momentaufnahme, werden Patienten künftig ein Datenset zur Verfügung haben, das Monate oder gar Jahre ununterbrochener Erhebungen umfasst. Dass sich auf Basis eines solch umfangreichen Datensets grundlegend andere ärztliche Indikationen mit lebensentscheidenden Konsequenzen ergeben können, stellte Talithia Williams im Zuge ihrer Schwangerschaft fest. Während der behandelnde Arzt die Einleitung der Geburt für erforderlich erachtete, konnte dieser Entscheid auf Basis der individuellen, sechsjährigen Datenhistorie revidiert werden:
Dass „Big Data“, das Buzzword der letzten zwei Jahre, nicht automatisch zu einem Erkenntnisgewinn führt, betonte zuletzt Paypal-Gründer und Investorenlegende Peter Thiel, der mit Palantir selber ein Datenanalyse-Unternehmen mit Milliardenbewertung betreibt:
„Today’s companies have an insatiable appetite for data, mistakenly believing that more data always creates more value. Big data is usually dumb data.“ Peter Thiel in „Zero to One“
Die Erhebung der Daten sind somit keine hinreichende, jedoch eine notwendige Bedingung. Die Analyse und Identifikation von Mustern kann hier jedoch schnell zur substanziellen Verbesserung des Lebens von Patienten führen. Beispiele hierfür liefern Robert Scoble und Shel Israel in ihrem Buch „Age of Context„: so konnten etwa Eltern eines unter Diabetes leidenden Kindes identifizieren, dass der Blutzucker an jedem Morgen eines Schultages anstieg, nicht jedoch am Wochenende. Diese Erkenntnis ließ sich auf eine angstbasierte Andrenalinausschüttung zurückführen, die wiederum das Glukose-Level erhöhte. Als Konsequenz konnte somit die Insulindosierung angepasst werden, was für das Kind einen Unterschied auf einer Skala von ADD bis Depressionen bedeuten kann. Erkenntnisse, die ein Arzt auf Basis der Analyse von Durchschnittswerten nicht hätte gewinnen können.
Die Verknüpfung von Asthma-Inhalatoren mit GPS-Trackern, die die Position bei der Verwendung an eine Datenbank kommunizierten, ermöglichte den Aufbau eines Warnsystems für Asthmatiker durch die Identifikation von Gegenden mit erhöhter Luftbelastung.
Während die Diagnose und medizinische Forschung bislang immer auf einem sehr limitierten Datenset basierte, verspricht der Abgleich detaillierter Daten von Millionen von Usern eine Beschleunigung des Erkenntnisgewinns und die Identifikation bislang unbekannter Korrelationen.
Apple Watch: Wearables 2015 im Massenmarkt
Mit der von Apple für das Frühjahr 2015 angekündigten Smart-Watch wird das digitale Tracken der eigenen Körper- und Aktivitätsdaten im Massenmarkt ankommen, nachdem es mit analogen Work-arounds bereits jetzt gang und gäbe ist. Stellen die mit Halbwissen garnierten Internet-Recherchen von Patienten für Ärzte bereits heute ein Ärgernis dar, müssen sie sich in absehbarer Zeit auf ganz neue Dimensionen des informierten Patienten einstellen. Während der Gesundheitsmarkt hochgradig reguliert ist und Google mit seiner Health-Plattform 2011 scheiterte, wird dies nicht der letzte Versuch geblieben sein, einen Vorstoss in diesen Markt mit einem jährlichen Volumen von weltweit USD 7,5 Billionen zu wagen.
Allein im ersten Halbjahr 2014 sind USD 2,3 Milliarden Venture Capital in Digital Health Startups geflossen, bis zum Jahresende waren es USD 4,1 Milliarden. Außerdem haben nahezu alle Tech-Giganten von Rang und Namen wie Apple, Google, Microsoft und Samsung eigene Initiativen gestartet. Während hier ein ganz neues Selbstverständnis hinsichtlich des Einbezugs der eigenen Tracking-Daten auf Ärzte zukommen wird, sind die Konsequenzen jedoch wesentlich weitreichender: die Identifikation von Symptomen wird automatisiert erfolgen können, so dass einerseits ein Teil des Aufgabenfelds vieler Ärzte wegfallen wird. Einige gehen sogar davon aus, dass binnen 20 Jahren gar keine Ärzte mehr benötigt werden:
Ob und wann dies der Fall sein wird, ist vollkommen offen: während Computer unschlagbar in der Analyse nahezu unbegrenzter Datenmengen sind, fehlt ihnen (noch?) die Fähigkeit Pläne zu schmieden und Entscheidungen in komplizierten und dynamischen Situationen zu fällen. Wahrscheinlicher ist folglich eine Mensch-Maschinen-Symbiose, die das Aufgabenspektrum und das Arbeitsfeld von Ärzten schon kurzfristig grundlegend verändern wird. Bereits heute können Patienten und Ärzte dank Wearables bei kritischen Abweichungen automatisiert frühzeitig alarmiert werden, so dass rechtzeitig lebensrettende oder gesundheitserhaltende Gegenmaßnahmen ergriffen werden können.
Sensorbestückte Pillen
Das Tracking von Gesundheitsdaten wird aber nicht an der Körperoberfläche halt machen: über die Einnahme von sensorbestückten Pillen kann die Sammlung relevanter Daten noch erheblich erweitert und sogar an die automatisierte Verabreichung von Medikamenten gekoppelt werden. Diabetiker können auf diese Weise automatisiert stets mit der erforderlichen Menge an Insulin versorgt werden. Diese Daten können aus dem Körper via Bluetooth an eine mobile App übermittelt werden, die dem Arzt über eine zentrale Datenbank die Fernüberwachung der korrekten Einnahme von Medikamenten ermöglicht.
Die Potenziale hiervon sind wesentlich weitreichender, als dies auf den ersten Blick erscheinen mag: für 2012 geht man allein für die USA davon aus, dass die nicht vorschriftsgemäße Einnahme von Medikamenten zu Kosten von USD 258 Milliarden im Gesundheitssystem geführt hat. Pro Jahr bezahlen dies 130.000 US-Bürger mit dem Leben.
Fazit
Laut einer Studie von PWC sind bereits 21 Prozent der US-Konsumenten im Besitz eines Wearable Devices. Auf dem Weg zum Massenmarkt sind noch eine ganze Reihe von Hürden zu überwinden. Insbesondere im Gesundheitsbereich setzen starre Regulierungen den Rahmen und die Verhaltensänderung einer Reihe sehr einflussreicher Player ist erforderlich, die ihre Geschäftsgrundlage gefährdet sehen könnten. Hier muss die Verlässlichkeit der erhobenen Daten verbessert, disparate Datensilos müssen verknüpft und Antworten auf Sicherheits-, Datenschutz- und Privatsphäre-Bedenken (Trend: Redefinition of Privacy) müssen gefunden werden.
Die Potenziale für die Verbesserung der Gesundheit von Millionen von Menschen und der medizinischen Forschung liegen jedoch auf der Hand und Krankenkassen schaffen bereits finanzielle Anreize für das Teilen der Wearables-Daten. Über den Gesundheits- und Fitness-Bereich hinaus wird auch die Verknüpfung der Wearables mit ihrer Umgebung ganz neue Services ermöglichen (Trend: Pro-active Experiences). Der Eintritt von Playern wie Apple, Google und Microsoft in dieses Segment stimmt optimistisch in Bezug auf die Erfolgswahrscheinlichkeit, dass Wearables und Quantified-Self 2015 im Massenmarkt ankommen werden.
Wie gut ist Ihr Unternehmen auf die Konsequenzen dieses Trends vorbereitet?
Finden Sie anhand unseres Digital Maturity Assessments heraus, wie gut Ihr Unternehmen für den digitalen Wandel gewappnet ist und welche Ansatzpunkte für die Verbesserung existieren.